Mit Quadrature ins Universum und zurück
Das Atelier des Künstler*innenduos Quadrature (das sind Sebastian Neitsch und Juliane Götz) liegt in Kreuzberg, ganz in der Nähe des Technikmuseums. Warum das so gut passt, finden wir im Gespräch schnell heraus. Aber erst mal zeigt uns Sebastian den Raum, in dem er mit Juliane (die heute leider krank ist) arbeitet. Die beiden haben ein Kind und machen schon sehr lange gemeinsam Kunst – auch weil sie sich so gut ergänzen: Juliane schreibt gerne Konzepte und recherchiert; Sebastian baut und experimentiert lieber – und am liebsten programmieren beide!
An der Atelierwand hängen alte Karten von physikalischen Reaktionen und Metallplatten mit faszinierenden, kreisförmigen Mustern. Als wir erfahren, dass die geheimnisvollen Kreismuster Umlaufbahnen von Weltraumsatelliten sind, wollen wir wissen: Hat Quadrature etwas mit dem Universum zu tun?
Sebastian lacht herzlich, weil die Frage eigentlich schon erklärt, wie und warum Quadrature Kunst machen: Für die meisten Menschen ist das Universum etwas, das „außerhalb“ ist. Dabei haben wir alle etwas damit zu tun, weil wir ja Teil davon sind – das Universum ist unser Zuhause, unsere Vergangenheit und unsere Zukunft. Die Größenordnungen des Alls sprengen jedoch die menschliche Vorstellungskraft, weswegen es vielen „abstrakt“, also irgendwie fremd erscheint. Dort gibt es aber ganz viel zu entdecken und zu verstehen (auch über uns selbst!), deswegen geht es in der Kunst von Quadrature ganz oft um das Universum.
Sebastian weiß wahnsinnig viel über das Weltall, erzählt uns von Theorien zu Paralleluniversen und kosmischer Strahlung, von schwarzen Löchern und Spionagesatelliten (die Muster auf den Metallplatten!). Das ist super spannend und wir fragen so viel nach, dass uns schon bald ein bisschen der Kopf schwirrt. Wir stellen fest, dass Quadrature nicht nur Künstler*innen sind, sondern irgendwie auch Ingenieur*innen und Astrophysiker*innen! Sebastian erklärt, dass die Kunst schon immer eng mit der Wissenschaft verbunden war. Allerdings muss die Wissenschaft „objektiv“ sein, also möglichst neutral Fakten darstellen. Als Künstler*innen geht es Quadrature eher darum, Metaphern – also Sinnbilder – für Fragen zu finden, die uns unbeantwortbar scheinen und sich Dinge auszudenken statt sie zu beweisen.
Die Skulptur Very Cold Spot (auf Deutsch: „Sehr kalter Punkt“) hat zum Beispiel die Form einer Region im Universum, die außergewöhnlich kalt ist. Eine Theorie besagt, dass es sich dabei um die Überreste eines Zusammenstoßes zweier Universen handeln könnte. In einer anderen Arbeit sammeln Quadrature mit einem selbstgebauten Radioteleskop Signale aus dem All und übersetzen diese in Klänge. Mit diesen Werken möchten Quadrature dazu anregen, über eigenen Träume und Spekulationen zum Universum nachzudenken.
Wozu sich schon viele Menschen eigenen Gedanken gemacht haben, sind zum Beispiel Aliens. Dass es andere Formen von Leben im All geben kann, darin sind sich auch die meisten Wissenschaftler*innen einig. Sebastian erzählt uns, dass schon in den 70er Jahren Nachrichten ins Weltall geschickt, um möglichen Außerirdischen zu vermitteln, dass es uns gibt und wer wir sind. Zum Beispiel eine goldene Schallplatte, auf der Lieder und Fotos aus allen Teilen der Welt gespeichert wurden und Willkommensgrüße in unterschiedlichen Sprachen.
Wie würden wir versuchen, nicht-weltlichen Wesen mitzuteilen, dass es uns gibt und was uns ausmacht? Auf jeden Fall muss ein Alien wissen, wie ein Fußball aussieht und eine Pizza! Wir versuchen Zeichen und Bilder zu finden, die uns und unsere Welt beschreiben. Je mehr wir auf die große Papierbahn zeichnen, desto größer werden die Fragen: Wenn wir Hände malen, woher sollen die Wesen wissen, dass sie zu unserem Körper gehören? Wenn wir einen Hund malen, denken sie dann, dass wir so aussehen? Verstehen sie die Pizza vielleicht als eine Form von Währung, kennen sie die Idee von Geld überhaupt? Von außen betrachtet wirkt unsere Welt bestimmt auch irgendwie seltsam ...
Als die Papierbahn voll ist mit Farben und Botschaften rollen wir sie ein und stecken sie in eine golden glitzernde Hülle. Wie wir die nun ins All bekommen, müssen wir uns noch ausdenken. Kunst ist es auf jeden Fall jetzt schon, findet
eine von uns – weil Kunst ist, wenn man etwas genauso macht,
wie man es denkt!