Landschaftsflüge mit Zuzanna Skiba
Das Atelier von Zuzanna Skiba liegt im Norden von Berlin in einem ehemaligen Polizeirevier – mit langen Gängen und einer unheimlich schweren Eingangstür. Was uns direkt auffällt: Ein ganz besonderer Geruch liegt in der Luft. Was das wohl ist?
Als Zuzanna uns ihre Ateliertür öffnet, sehen wir, wonach es riecht: Ölfarbe und Lösungsmittel, die in einer Ecke des Raumes aufgereiht stehen. Außerdem hängen überall Gemälde in gedeckten Tönen an den Wänden und Zuzanna hat sogar direkt auf die weißen Wände eine feine Bleistiftzeichnung gemalt. Was uns ein bisschen mulmig stimmt, ist der ausgestopfte Storch in der Ecke. Zuzanna erklärt uns aber, dass ihr dieser treue Begleiter, den sie einst geschenkt bekam, schon großes Glück gebracht und viel mit ihrer Arbeit zu tun habe. Um herauszufinden, was sie damit meint, lassen wir sie erst mal ein bisschen erzählen…
Zuzanna hat einen Beruf gelernt, den es heute so nicht mehr gibt. Sie ist ausgebildete Kartografin und hat mit Lupe und Ziehfeder – einem speziellen Zeichengerät, bei dem die Breite der Linie genau eingestellt werden kann – detailgetreu Landschaften gemalt und (Land-)Karten mit Wäldern, Flüssen und Bergen erstellt. Aber wie zeichnet man eigentlich Erhebungen von oben gesehen, wenn so doch alles flach wirkt? Sie erklärt uns, dass in der Kartografie viel mit Schraffuren gearbeitet wird, um Höhen und Tiefen darzustellen. Ganz viele feine Linien zeigen an, wie die Landschaft verläuft und je näher die Striche zum Beispiel bei einem gezeichneten Berg aneinander liegen, umso höher und steiler ist er.
Als Zuzanna später zur Kunst gewechselt ist, hat sie die gelernten Techniken natürlich nicht vergessen und auch das Interesse daran, die Welt von oben zu sehen und zu verstehen, ist geblieben. Sie sagt: „Ich male wie ein Vogel!“ Da wird uns klar, warum sie sich dem Storch so verbunden fühlt – der sucht sich schließlich auch immer den höchsten Punkt zum Nisten aus und guckt auf die Welt von oben herab.
Das Malen ist für Zuzanna so wichtig wie Essen, Trinken, Schlaf – sie braucht es einfach, um glücklich zu sein, ihre Gedanken zu sortieren und immer wieder neu auf die Welt zu blicken. (Anstrengend – vor allem körperlich – ist nur die Vorarbeit, weil sie die Keilrahmen selbst baut und auch die Leinwände alleine aufspannt.) Bevor sie mit dem Malen loslegt, schlüpft sie in einen alten (passender könnte es nicht sein) Fliegeranzug, denn mit der Ölfarbe macht man sich ganz schön die Hände schmutzig. Das merken wir selbst schnell, als uns Zuzanna ein angetrocknetes Klümpchen Farbe in die Hand drückt.
Zuzannas Kunstwerke zeigen Fantasielandschaften und während des Arbeitens verselbstständigt sich das Bild. Manchmal braucht sie für ein Gemälde nur wenige Stunden, für manche aber Jahre oder Jahrzehnte. Dann wird das Bild durch die vielen Schichten Ölfarbe ganz dick („pastos“ nennt sich das – eine Restauratorin hat Zuzanna mal erklärt, dass die Farbe, so wie sie male, ein Leben lang trocknen würde). Sie malt zuerst die Schichten aus Ölfarbe und setzt dann noch eine grafische Zeichnung aus vielen feinen Strichen drauf. Diese Struktur erinnert uns an Meer, Wolken, Federn oder Fell – in jedem Fall an etwas, das organisch ist und sich bewegt. Auch sieht es so aus, als würde die Struktur immer weiter gehen und das Auge fliegt förmlich über die Oberfläche! Später üben wir Zuzannas Vogelblick und zeichnen den Weg von der Schule zum Atelier von oben, jede für sich. Was spannend ist: Obwohl wir alle die gleiche Aufgabenstellung hatten und den gleichen Weg zeichnen sollten, hat jede ihre Umwelt unterschiedlich wahrgenommen und dargestellt. Das findet Zuzanna toll, denn auch sie nutzt verschiedene Tricks, um immer wieder anders wahrzunehmen: Sie stellt ihre Bilder oft auf den Kopf, guckt durch die Wimpern… oder versetzt sich eben in einen Vogel hinein. Das nehmen wir uns für die Zukunft auch vor!
Zum Abschied winkt uns Zuzanna aus dem Fenster und sagt, jetzt sehe sie uns wirklich von oben. Auf die Frage hin, wie sie uns zeichnen würde, antwortet sie: „Als kleine Punkte!“ Und wer weiß – vielleicht entdecken wir uns ja in einem ihrer nächsten Bilder?