Tomás Saraceno: Traumtänzer und Spinnenflüsterer

Tomás Saracenos Atelier besteht nicht aus einem einzelnen, sondern aus ganz vielen Räumen. Genau genommen ist es sogar ein ganzes Haus! Den Platz braucht es auch, bei den vielen Menschen, die hier arbeiten. Es gibt eine Küche, Werkstätten, Lagerräume, Büros und sogar ein Labor, in dem ganz besondere „Künstler*innen“ wohnen. Um sie kennenzulernen, müssen wir uns aber noch ein bisschen gedulden.

Zuerst treffen wir Gustavo, der uns alles zeigt und direkt im Garten anfängt. Hier steht ein lebensgroßes Modell von einem Gebäude, das in Dänemark gebaut werden soll. Fünf vieleckige Miniräume sind hier über- und nebeneinander gestapelt und sehen aus, als wären sie hervorragend geeignet für einen Spielplatz. Sogar Netze sind in ihnen gespannt, auf denen gehüpft werden kann.

Drinnen zeigt uns Gustavo dann ein sehr viel kleineres Modell, an dem wir sehen können, dass statt der fünf Miniräume am Ende 60 Stück davon ineinandergeschachtelt werden sollen. Fällt das denn nicht um? Nein, aber genau solche Projekte liebt Tomás besonders – er hat an verschiedenen Orten auch schon Würfel in den Himmel gehängt, die aussahen, als würden sie schweben. Natürlich ist alles sicher und befestigt, so dass niemandem etwas passieren kann. Aber den Überraschungsmoment und das Staunen über diese Konstrukte, denen die Schwerkraft scheinbar ganz egal ist, haben die Arbeiten alle gemeinsam. Damit das funktioniert, arbeiten Künstler*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen zusammen, um gemeinsam zu träumen, zu rechnen und viele Experimente zu machen. Eine von ihnen heißt Clare und arbeitet gerade an einem eckigen Modell, als wir durch die Werkstatt wuseln.

Tomás Saracenos Kunstwerke: bunte leuchtende Kugeln und Reproduktion eines Spinnennetzes.
Tomás Saracenos Kunstwerke: bunte leuchtende Kugeln und Reproduktion eines Spinnennetzes.
Tomás Saracenos Kunstwerke: bunte leuchtende Kugeln und Reproduktion eines Spinnennetzes.

Die bloße Illusion des Schwebens geht Tomás aber wohl nicht weit genug – er versucht nämlich auch seit Jahren, Flugobjekte zu bauen, die tatsächlich ohne Befestigung und ohne Strom oder Benzin vom Boden abheben! Wie Heißluftballons sehen die riesigen schwarzen Objekte aus, mit denen eine Frau bereits fast 700 Meter weit und hoch geflogen ist. Die Luft in den Ballons ist heißer als die Luft außen. Und weil heiße Luft immer nach oben steigt, heben die Objekte vom Boden ab. Im Gegensatz zu den Heißluftballons, die wir manchmal am Himmel sehen, wird die Luft aber nicht durch ein Feuer erhitzt, sondern nur durch die Kraft der Sonne. Tomás lässt sich in seiner Kunst also nicht nur von der Umwelt inspirieren – wie von der Schwerelosigkeit der Wolken oder der Laufbahn der Planeten –, sondern er versucht Möglichkeiten zu finden, wie wir besser leben können, ohne die Umwelt kaputt zu machen.

Der Künstler Tomás Saraceno drückt den Kindern seine Bewunderung für Spinnen aus, die einen großen Teil seiner künstlerischen Inspiration ausmachen.

Zum Ende der Tour führt uns Gustavo nach oben ins Labor, wo es wärmer ist als im Rest des Gebäudes. Viele der Laborbewohnerinnen kommen nämlich aus den Tropen – wir sind im Reich der Spinnen angekommen! Hier lernen wir Tomás persönlich kennen, der selbst fast platzt vor Begeisterung über die kleinen Tiere, die hier ihre kunstvollen Netze weben. In einem riesigen Gestell haben verschiedene Spinnen eine ganze Stadt gebaut – große und kleine, dichte und löchrige, weiße und goldene Spinnennetze sind hier auf-, unter- und nebeneinander gewebt (ganz verschachtelt, ein bisschen so wie die Miniräume am Anfang). Anhand des Aussehens der einzelnen Netze kann Tomás sogar erkennen, welche Spinne hier am Werk war. Doch im Spinnenlabor wird nicht nur über, sondern auch mit den Spinnen gedacht und geredet: Tomás packt eine Mappe mit unterschiedlichen Stimmgabeln aus, von denen jede den Ton eines bestimmten Insekts nachahmt, wenn sie angeschlagen wird. Wenn wir mit der klingenden Gabel vorsichtig das Spinnennetz berühren, dringt der Ton in Form von Vibration (denn Spinnen haben keine Ohren) bis zur Bewohnerin des Netzes durch. Die Spinne denkt, es sei ein Insekt ins Netz gegangen und nimmt schnurstracks die Fährte in Richtung der Stimmgabel auf.

Riesige Spinnennetzinstallation des Künstlers Tomás Saraceno.

Ganz aufgeregt erzählt uns Tomás von seinem Traum, dass wir eines Tages über Vibrationen (zum Beispiel von Handys) mit den Spinnen sprechen und sie alles fragen können, was wir schon immer über sie wissen wollten. Wir sind da noch ein bisschen skeptisch – ob das wohl wirklich funktioniert und ob Spinnen überhaupt mit uns sprechen wollen, wenn wir Menschen ihnen doch oft gefährlich werden? Aber in Tomás‘ Labor krümmt ihnen niemand ein Haar – und wenn wir uns angucken, welch unwahrscheinlichen Dinge Tomás mit seinem Team schon gebaut hat, könnten sie es bestimmt schaffen. Vielleicht sollten alle Wissenschaftler*innen ein bisschen mehr träumen, dann würde bestimmt noch vieles Unmögliche möglich werden...

 
Zurück
Zurück

In der Wunderkammer von kate-hers RHEE

Weiter
Weiter

Barbara Krugers trampelnde Stiefel und andere Zukünfte