Barbara Krugers trampelnde Stiefel und andere Zukünfte
Heute ist ein ganz besonderer Ephra unterwegs-Tag, da wir nicht in einem Atelier zu Gast sind, sondern ausnahmsweise in einem Museum – der Neuen Nationalgalerie. Eigentlich muss man gar nicht unbedingt in den imposanten Bau reingehen, um die Ausstellung der Künstlerin Barbara Kruger sehen zu können: Durch die riesigen Glasscheiben erkennen wir schon von draußen, dass der Raum fast leer ist, bis auf wenige Bildschirme und tausende Buchstaben, die in rot, schwarz und weiß den gesamten Boden bedecken. Da Barbara Kruger in den USA lebt und zurzeit nicht in Berlin ist, begrüßt uns Felicitas. Sie ist Kunstvermittlerin in der Neuen Nationalgalerie und sehr gespannt darauf, wie uns diese Ausstellung gefällt, in der es keine Bilder, aber dafür viele Wörter, zu sehen gibt.
Nachdem wir von der gläsernen Drehtür ins Innere des Museums geschoben werden, schreiten wir die breite Treppe runter zur Garderobe und sind beeindruckt von dem glänzenden Stein, dem dunklen Holz und den imposanten Toilettenräumen, die fast so groß sind wie unser Klassenzimmer. Auch wenn wir uns fragen, warum so ein schönes Haus eigentlich nicht zum Wohnen benutzt wird, finden wir es gut, dass alle Leute hier herkommen dürfen. Denn hier fühlt man sich ein bisschen, als wäre man berühmt!
Zurück in der Ausstellung steigt uns der Geruch von Turnhallen in die Nase. Das liegt daran, dass die Buchstaben nicht direkt auf den Boden gemalt, sondern auf lange Vinyl-Bahnen gedruckt und ausgerollt wurden. Eine Weile gehen wir darauf spazieren. Dabei fällt uns auf, dass der Raum wegen der knalligen Buchstaben ganz schön voll wirkt, obwohl er eigentlich leer ist. Wir erfahren, dass die Texte teilweise von berühmten Schriftstellern und teilweise von der Künstlerin selbst stammen. Manche sind ganz kurz und von Social-Media-Posts inspiriert, auch ein paar Smileys können wir entdecken. Einen der Sätze schauen wir uns genauer an: „Wenn Sie sich ein Bild von der Zukunft machen wollen, dann stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf dem menschlichen Gesicht herumtrampelt, für immer!“ Dieses Zitat ist aus einem Buch, das der Schriftsteller George Orwell kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben hat. Die Geschichte „1984“ spielt in der Zukunft und warnt vor staatlicher Gewalt und Überwachung. Orwell hat also ein sehr finsteres Bild von der Zukunft gezeichnet. Gemeinsam denken wir darüber nach, was wir uns für die Zukunft wünschen und vorstellen. Das malen, schreiben und kleben wir dann auf einer riesigen Papierbahn zusammen: Es gibt den Wunsch nach Bio-Autos, nach gleichen Rechten für alle Geschlechter, dass nie wieder Krieg ist. Wir wünschen uns, dass die Menschen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen können, Wasser gespart wird und alle Tiere frei sind. Manche möchten Eiscreme für den Rest ihres Lebens, jeden Tag Geburtstag feiern oder Superheld*innen werden. Jemand anderes wünscht sich, dass die Menschen mehr lachen, weil Humor die größte Emotion ist, die man haben kann. Außerdem brauchen wir dringend das offizielle Recht auf Spielen!
Unsere Lehrerin will uns dabei helfen, die besten Zukunftsideen möglichst bald in die Tat umzusetzen. Wir machen uns auf den Rückweg in die Schule, im Gepäck die große Papierrolle und der Gedanke, dass die Kunst nicht nur Dinge abbilden kann, die es schon gibt, sondern auch Wirklichkeiten schaffen kann, die noch weit in der Zukunft liegen ...