Stella Geppert, die Zeichnerin des Schlafes und der Körperkommunikation

Stella Geppert empfängt uns auf dem sonnigen Hinterhof ihres Ateliers mit einem verschmitzten Lächeln, das wir heute noch öfter sehen werden. Zur Begrüßung gibt sie uns nacheinander die Hand. Das fühlt sich ganz normal und gleichzeitig etwas komisch an – schließlich haben sich die Menschen in den letzten Jahren die verrücktesten Dinge ausgedacht, um jegliche Berührung zu vermeiden. Wir finden aber noch etwas anderes seltsam: Nachdem Stella alle Hände geschüttelt hat, fängt sie wieder von vorne an. Nach der zweiten Runde erklärt sie uns, dass sie wie ein Spiegel jeder Person die Bewegung und Energie zurückgegeben hat, die sie beim ersten Mal von ihr bekommen hat. Und das, sagt sie, ist eigentlich auch schon ihre künstlerische Beschäftigung: Eindrücke in sich aufnehmen wie ein Schwamm und der Außenwelt in veränderter Form zurückgeben. Sie beschreibt dabei unsere Hände und die verschiedenen Konsistenzen der Körper beim Schütteln der Hände. Das Aufnehmen und Abgeben vergleicht sie mit dem Vorgang des Einatmens und Ausatmens.

Die Künstlerin Stella Geppert beschreibt Kindern der Ephra-unterwegs Gruppe die verschiedenen Konsistenzen der Körper durch materielle Kunstwerke.
Ein Kind der Ephra-unterwegs Gruppe hält Objekte – Organe aus Gummi, Fotos von laufenden Bäumen – auf dem Schoß.

Als uns Stella die Türen ihres hellen Ateliers öffnet (das nicht besonders groß, aber dafür sehr hoch ist, mit Fenstern an der Decke) fühlen wir uns auch ein bisschen wie Schwämme: Wir setzen uns in einen Kreis und Stella gibt uns ohne zu sprechen und mit ausnahmsweise sehr ernster Miene Objekte in die Hand – Organe aus Gummi, Fotos von laufenden Bäumen, eine schwere Form aus Ton, einen Hut mit langer Antenne. Wir sind ganz leise, während die Objekte von Hand zu Hand wandern und immer neu umverteilt werden, um sich schließlich in einem einzigen Schoß zu sammeln. Stella hält uns währenddessen Spiegel vor, von denen manche Löcher haben und andere an besonderen Gestellen befestigt sind. Nachdem die Vorstellung vorbei ist, stellen wir Stella schon ziemlich mit Eindrücken angereichert zur Rede: Warum haben die Spiegel Löcher? Wann ist sie Künstlerin geworden? Und wie entstehen die verschwommenen schwarzen Zeichnungen, die auf langen Papierbahnen an den Wänden hängen?

Stella verrät uns, dass der Spiegel dort ein Loch hat, wo ihr Gesicht sein sollte, wenn sie ihn hält. Wenn dann jemand in den Spiegel guckt, sieht die Person sich selbst mit Stellas Gesicht – so verbinden sich die beiden Körper. Auch wenn das noch nicht ganz geklappt hat (da muss Stella noch ein bisschen üben, sagt sie), passt die Idee gut zu den Organen, die auch nichts mit einem einzigen, „ganzen“ Körper zu tun haben. Das Spielen mit Elementen, Körpern und Kommunikation scheint Stella schon immer gerne gemocht zu haben; Künstlerin war sie nämlich eigentlich schon als Kind: Sie erzählt uns, dass sie sich damals ihre gesamte Welt aus Pappe und Klebeband zusammengebastelt hat. Es gab zum Beispiel eine Papp-Posttasche, mit der sie Briefe ausgetragen hat. Ihr Markenzeichen war es, den rechten Stiefel links und den linken rechts zu tragen. Außerdem war sie bekannt für ihren schillernder Postbotinnen-Weckruf, damit sie in den Straßen gehört wurde.

Inzwischen baut Stella nicht mehr viel aus Pappe. Stattdessen tanzt sie fast jeden Morgen, schaut sich ihre Umgebung ganz genau an und schläft vor allem sehr gerne. Warum wir eigentlich aufwachen ist eine der Fragen, mit denen sich Stella in ihrer letzten Arbeit ausgiebig beschäftigt hat. Um besser über solche Fragen nachdenken zu können, hält sie Bewegungen auf Papier fest. Dabei lässt sie die Bewegung selbst zeichnen: Die Bilder an der Wand zeigen Abdrücke von ihrem Körper und ihren Kissen im Schlaf, daher sehen wir verschiedene Körperabdrücke, Muster und Formen. 

Die Künstlerin Stella Geppert erklärt ihre Konstruktion: ein Hut mit einem senkrechten Stab aus Kohle, der Bewegungen von sich selbst oder anderen Personen beim Reden aufzeichnet.

Stella hat außerdem eine Konstruktion entworfen, um Bewegungen von sich selbst oder anderen Personen beim Reden aufzeichnen zu können. Es ist eine Art Hut mit einem senkrechten Stab. An dessen Ende ist ein Stück Kohle befestigt, so dass jede Kopfbewegung der huttragenden Person an der Decke oder an der Wand aufgezeichnet wird.
Für Kohle hat sich Stella entschieden, weil sie aus Kohlenstoff besteht, den wir auch ausatmen. Als sie einen Kohlestrich auf Papier zeichnet, stellen wir fest, dass sich das sogar so anhört, als würde jemand lange ausatmen. Auf diese Art und Weise versucht Stella, sich in ihr Material hineinzuversetzen, um es besser verstehen zu können.

Ein Kind der Ephra-unterwegs Gruppe hält einen Ast mit Kreide in der Hand und zeichnet auf dem Hof.

Damit auch wir uns in Stella hineinversetzen und das Zeichnen von Bewegungen besser verstehen können, gibt sie uns Äste und Besen in die Hand, an deren Enden wir Kreide befestigen und damit über den Hof gehen, schleichen, rennen, fegen oder tanzen. Manche streuen Kreidestaub, andere verstreichen die Kreide mit Besen. Später erklärt uns Stella, dass das eine Art Versuchsanordnung für einen Workshop gewesen sei, den sie bald in Marokko geben wird. Sie verrät uns, dass es ihr oft unangenehm und peinlich ist, ihren Performer*innen zu erklären, was zu tun ist. Da hilft es ihr, vorher von uns zu hören, was uns Spaß gemacht hat (Kreidestaub streuen!), weil das anderen dann hoffentlich ebenfalls Spaß macht. Wir sind schon sehr gespannt darauf, welche Eindrücke Stella heute noch so aufgenommen hat und welche sie wieder an die Welt zurückgeben wird.

 

 
Zurück
Zurück

Wie-yi T. Lauw, Künstlerin des Versteckens

Weiter
Weiter

In der Wunderkammer von kate-hers RHEE