Wie-yi T. Lauw, Künstlerin des Versteckens

Ein Kind der Ephra-unterwegs Gruppe hält ein Glaskunstwerk von Wie-yi T. Lauw auf dem Schoß.

Wie-yi T. Lauws Atelier liegt im wuseligen Neukölln, zwischen Spielplätzen, Bars und Werkstätten – und irgendwie lebt die Stadt in ihrem Atelier weiter. Verschiedenste Masken und Statuen sind im Raum verteilt, zum Beispiel kleine Buddhas, die Wie-yi in einem vietnamesischen Supermarkt gekauft hat, und sogar ein echtes Motorrad steht in der Ecke! Auch eines der vielen Bilder, die an die Wände gelehnt sind, zeigt ein Motorrad – oder sollten wir lieber sagen: kein Motorrad? Zu sehen ist nämlich nur eine blaue Abdeckplane, und was sich darunter versteckt, erraten wir erst beim dritten Versuch.

Wie-yi liebt es, Dinge zu verstecken oder zu verfremden. Das bedeutet, sie so sehr zu verändern, dass sie noch an ihren Ursprung erinnern, aber gleichzeitig auch viele andere Dinge bedeuten können, also „fremd“ geworden sind. Eigentlich versucht die Kunst ja meistens, Dinge zu zeigen, sie abzubilden und auszustellen. Warum macht Wie-yi dann genau das Gegenteil? Das hat verschiedene Gründe, sagt sie. Zum einen regen versteckte Dinge die Fantasie an und bringen uns dazu, selbst darüber nachzudenken, was sich hinter der Fassade verbirgt. Dabei sieht fast jede Person etwas anderes in den Bildern und Skulpturen (bei der auf dem Tisch rätseln wir noch – schwitzender Buddha oder schmelzende Eiscremetorte?).

Ein Kind der Ephra-unterwegs Gruppe steht vor einem Kunstwandteppich der Künstlerin Wie-yi T.Lauw.

Vor allem geht es in Wie-yis Arbeiten aber um Identität, also darum, wer wir sind. Oft gibt es einen großen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie wir uns selbst wahrnehmen oder was unsere Biografie über uns sagt, und dem, was andere Menschen über uns denken, etwa aufgrund unseres Aussehens. Wie-yi selbst ist zum Beispiel in Wien geboren und spricht Österreichisch (Wienerisch ist ihre Lieblingssprache). Ihre Vorfahren kommen aber aus Indonesien und China und auch ihr Name klingt anders als die meisten deutschen oder österreichischen Namen. Das Wiener Standesamt behauptet sogar, ihren Namen gäbe es nicht. (Das ist natürlich Quatsch, weil Wie-yi heißt ja so.) Ihre eigene Identität ist also sehr komplex und wurde von verschiedenen Geschichten, Orten und Menschen geprägt. Auch viele Objekte erzählen komplexe Geschichten, werden aber häufig nur auf eine bestimmte Weise wahrgenommen oder „gelesen“. Durch das Verschleiern, Verstecken und Verfremden von diesen Dingen, versucht Wie-yi das Vielschichtige und Uneindeutige sichtbar zu machen.

Oft verwendet sie dabei hergestellte Objekte, wie die Buddhastatuen oder Masken, die wir schon zu Anfang entdeckt haben. Wie-yi verzerrt, verdreht, verdoppelt oder teilt diese Objekte, indem sie sie langsam über einen Scanner zieht. Dabei entstehen verblüffende und lustige Formen – eines der Bilder sieht wegen der lang gezogenen Streifen aus wie Frühstücks-Bacon! Diese Technik dürfen wir dann auch selbst ausprobieren, und zwar mit Objekten, die uns besonders wichtig sind und die wir von zu Hause mitgebracht haben: eine ägyptische Statue, ein Medaillon mit einem Foto von Opa, ein versteinerter Seeigel, ein Foto von einem Hund. Wir machen die verrücktesten Scans, schneiden aus, collagieren und scannen wieder neu, bis am Ende aus einem Objekt eine ganze Landschaft von Formen und Farben entstanden ist. Einiges ist genau geplant, anderes ist aber auch überraschend und zufällig, und genau das gefällt uns oft am besten. Als wir unsere Objekte wieder einpacken, scheinen sie ein kleines bisschen anders auszusehen, als noch am Morgen – zumindest wirkt das Lächeln des Pharaos plötzlich ziemlich geheimnisvoll ...

Ein Kind der Ephra-unterwegs Gruppe macht eine Collage im Atelier der Künstlerin Wie-yi T. Lauw.
Künstlerische Karte.
Künstlerische Karte.
 
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