Immer in Bewegung mit Ilya Barrett
Heute sind wir wieder im Ephra Studio und bekommen Besuch. Welche spannende Person lernen wir heute wohl kennen?
Zur Tür herein kommt der Animator, Illustrator und Videograph Ilya Barrett. Seine Mama ist – genau wie die meisten von uns – aus der Ukraine. Leider spricht Ilya selbst nicht so gut Ukrainisch und Russisch (dafür aber Deutsch und Englisch – er ist nämlich in Berlin aufgewachsen und sein Papa kommt aus den USA). Trotzdem ist es schön, dass er vieles von dem, was wir sagen, auch ohne Übersetzung versteht.
Bevor wir ihn und seine Arbeit besser kennenlernen, baut er einige Dinge auf. Wir sehen einen Beamer, einen Plattenspieler, eine kleine Lampe und auch ein uns unbekanntes spiegelndes Objekt. Über den Beamer gibt Ilya uns einen kleinen Einblick, was er so macht: Musikvideos, Animationen für Museen oder ein bekanntes Berliner Filmfestival, Werbevideos sowie freie Projekte und Illustrationen. Animation bedeutet wörtlich „zum Leben erwecken“ und genau das macht Ilya, wenn er mit Hilfe von digitalen Programmen oder auch einfach mit Stift und Papier, Sand oder Puppen seine Figuren und Objekte in Bewegung versetzt. Ilya sagt, er liebt alle Arten von Animation! Aber warum? Er erklärt, dass Animation für ihn verschiedene Künste – Sound, Bild und Geschichten erzählen – verbindet und daraus dann etwas Eigenes entsteht. Früher hat er Theater gespielt, stand aber nicht gern auf der Bühne. Mit Animation kann er sich in Rollen hineinversetzen und Geschichten erzählen, ohne selbst im Rampenlicht zu stehen. Das findet er perfekt! Allerdings sind Animationen sehr, sehr (zeit-)aufwändig. Für ein 4-minütiges Musikvideo hat Ilya einmal 7.000 einzelne Bilder zeichnen müssen. Manche Bilder davon scheinen zuerst keinen Sinn zu ergeben, aber in schneller Abfolge sind sie wichtig, um die Brücke zwischen zwei Bewegungen zu schlagen. Dann sieht alles viel weniger ruckelig aus. Teilweise braucht Ilya einen ganzen Arbeitstag, um eine Film-Sekunde zu animieren. Er grinst: Kein Wunder, dass er ein komisches Verhältnis zu Zeit hat, wenn seine ganze (Arbeits-)Woche letztendlich nur fünf Sekunden ist. Er findet aber auch, dass das ein Zeichen von guter Qualität ist: Wenn niemand sieht, wie groß der Aufwand war und alles leicht und flüssig aussieht, dann funktioniert es. Fast ein bisschen wie bei Musiker*innen, die Stunde um Stunde üben und bei einem Auftritt einfach nur herausragend sind. Apropos: Was ist eigentlich seine Lieblingsmusik und guckt er manchmal Anime? Eine Lieblingsband hat er nicht und er hört ganz unterschiedliche Sachen, je nach Laune, erklärt er. Aber Nirvana (wie auf einem unserer T-Shirts abgebildet) findet er schon cool! In seiner Freizeit spielt er selbst manchmal eine Säge als wäre sie eine Violine – eine lustige Vorstellung. Und natürlich liebt er Anime. Als Kind hat er ganz viel Anime geschaut, jetzt aber weniger. (Er will sich nicht zu viel abgucken, obwohl sein Zeichenstil ganz anders ist.) Sein Lieblingsanime ist aber ganz klar „Mind Game“.
Dann zeigt Ilya noch Beispiele aus der Geschichte von Fotografie und Film, denn eigentlich, so sagt er, ist ja jeder Film eine Animation aus tausenden Einzelbildern, bei denen sich immer nur Kleinigkeiten verändern. (Er fügt allerdings lachend hinzu, dass das Filmemacher*innen nicht gern hören.) Im 19. Jahrhundert gab es einen Fotografen namens Muybridge, der mit zwölf (und später 24) Kameras ein Pferd im Galopp bei jedem Schritt fotografiert hat. Wenn die einzelnen Fotos schnell hintereinander abgespielt wurden und werden, entsteht die Illusion, als würde das Pferd ununterbrochen rennen. Als nächstes zeigt uns Ilya einen der ersten Zeichentrickfilme. Der ist von 1908 und heißt „Fantasmagorie“. Die Bewegungen des kleinen Männchens sind zwar nicht immer so flüssig, aber wir sind trotzdem beeindruckt, denn damals war so eine Animation etwas ganz bahnbrechend Neues und die Technik noch nicht ausgereift. Bis es soweit war, haben sich einige Menschen unterschiedliche optische Spielzeuge ausgedacht, zum Beispiel das Praxinoskop. Das ist eine Trommel mit zwölf Spiegeln außen, die sich drehen lässt… und genauso aussieht wie das Teil auf Ilyas Plattenspieler! Er zeigt uns, wie man mit zwölf Einzelbildern oder -figuren einen bewegten Kreislauf auf dem Praxinoskop sehen kann, indem man den Blick auf eine der spiegelnden Seiten heftet. Wir sehen eine Figur, die springt und wieder landet, eine Pflanze, die wächst und wieder verblüht.
So einen Kreislauf werden wir gleich selbst erstellen. Hierfür hat Ilya Lego und Knete mitgebracht; wir können aber auch zeichnen oder malen.
Ilya hat einige gute Tipps auf Lager: Die Legos sollten wir am besten nach Farben sortieren und jegliche Farb- und Formwechsel mit möglichst vielen Zwischenschritten einleiten. Und wenn wir etwas zeichnen, dann am besten immer an die gleiche Stelle des Kärtchens, damit die Figur nicht hin- und herwackelt. Bei alldem ist es gar nicht so einfach, alle zwölf Bilder im Blick zu haben. Teilweise verlieren wir uns etwas in den ersten Sequenzen und hinken mit den folgenden neun hinterher. Ilya grinst: Wie war das noch mal mit dem Zeitgefühl?! Er verspricht aber, unsere begonnenen Projekte zu fotografieren und nachträglich am Computer zu animieren, weil wir uns die Ergebnisse nicht alle im Praxinoskop angucken konnten. Wir sind schon ganz gespannt auf den nächsten Termin!