Dafna Maimons Körper-Gefühls-Welten

Ein Kissen, das aussieht wie ein Bauch im Atelier von Dafna Maimon
Zehen, die Trinkgefäße sind im Atelier von Dafna Maimon
Zeichnungen von Dafna Maimon

Als wir in Dafna Maimons geräumigen Atelier ankommen, macht sie uns mit einem großen Lächeln und flinken Bewegungen Platz zwischen den eigenartigen Wesen, die den Raum bevölkern: Auf den Zeichnungen an der Wand drängen sich wabernde und wulstige Formen, die mit Augen und anderen Körperteilen versehen sind; mitten im Raum thront ein riesiger Bauch, der aussieht wie ein Kissen; und auf einem Tisch sind knubbelige Zehen aufgereiht, die aussehen, als wären sie aus Stein. Überall hängen, liegen, warten Objekte, Kostüme und Werkzeuge scheinbar darauf, ausprobiert und angefasst zu werden. Doch Malerei und Skulptur sind nur der Anfang. Dafna erzählt uns, dass sie auch viel mit Film und Performance arbeitet. Sie zeigt uns einen Ausschnitt aus einem Film, in dem abwechselnd eine Frau mit Zahnschmerzen und das Innere des schmerzenden Zahns zu sehen ist. Die Bewohner*innen des Zahns – Kariesbakterien, gespielt von Menschen – müssen sich dort vor dem riesigen Zahnstocher in Acht nehmen, der ihr Zuhause bedroht.

Dafna Maimon zeigt auf ihrem Computer einen Film über Zahnschmerzen

Dass der menschliche Körper in Dafnas Kunst eine wichtige Rolle spielt, wird uns dabei schnell klar. Doch der Künstlerin geht es nicht in erster Linie darum, Körperteile wirklichkeitsgetreu nachzubilden – auch wenn der riesige Bauch bis auf die Größe schon sehr echt aussieht. Vielmehr versucht Dafna, durch ihre Kunst die Beziehung zwischen unseren Körpern und unseren Gedanken und Gefühlen zu erforschen und damit zu spielen. Das kann beispielsweise eine Erinnerung an ein körperliches Gefühl sein oder unsere emotionale Beziehung zu verschiedenen Körperteilen. Zum Beispiel findet es Dafna total spannend, dass sich viele Menschen für bestimmte Körperteile schämen. Oft sind das zum Beispiel Brüste oder andere Geschlechtsteile, aber auch Füße und Zehen sind häufig mit Scham behaftet. Der angeekelte Ausdruck auf unseren Gesichtern zeigt, wie gut wir das nachvollziehen können: Unsere Zehen gehen niemanden was an! Dafna schmunzelt und bemerkt, dass dieses Gefühl nicht einfach da ist, sondern häufig erlernt wird. Schließlich wird uns von klein auf erzählt, dass Füße in Socken und am besten auch in Schuhe gehören! Welche Körperteile als eklig oder „abnormal“ angesehen werden, unterscheidet sich dabei von Kultur zu Kultur. Dafna selbst findet Füße schön und wichtig, schließlich tragen sie uns um die Welt und verbinden uns mit unserer Umgebung. Da insbesondere Zehen aber ein heikles Thema sind, kennt sie vor allem die ihrer engen Freundinnen sehr gut, weil sie zu denen ein enges Vertrauensverhältnis hat. Diese Erkenntnis hat sie zum Anlass für eine Performance genommen, in der barfüßige Frauen singend von Zehen erzählen und die Besucher*innen dabei Getränke aus zehen-förmigen Tassen serviert bekommen (dafür sind die Zehen auf dem Tisch also gedacht, die sind nämlich innen hohl!).

Kostüme, die Dafna Maimon gestaltet hat
Kostüme, die Dafna Maimon gestaltet hat

Neben Performances, Objekten, Filmen und Zeichnungen macht Dafna außerdem gerne Kostüme, die auf einer Kleiderstange in ihrem Atelier aufgereiht sind. Diese besondere Kunstform scheint uns sehr passend, schließlich verbindet sie sich ganz unmittelbar mit dem Körper. Die Kostüme entstehen häufig aus einem Nachdenken darüber, dass nicht nur körperliche Empfindungen wie Schmerzen oder Entspannung bestimmte Gefühle auslösen, sondern auch umgekehrt unser psychischer Zustand Einfluss auf unser Körpergefühl hat: Manche Menschen bekommen zum Beispiel Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen, wenn sie traurig oder gestresst sind. Dafna stellt sich vor, wie diese Gefühle wohl aussehen könnten und versucht, sie mit ihren Kostümen sichtbar zu machen.

Dafna Maimon mit einem Schwamm in der Hand in ihrem Atelier

Um uns die Vorstellung von unseren eigenen Körpern etwas näher zu bringen, breitet Dafna mit schwungvoller Geste einen riesigen roten Teppich für uns aus und gibt uns Schwämme in die Hand, die wir in Wasser tauchen. Wir beobachten, wie schnell sich die Konsistenz des Materials verändert: Die Schwämme saugen sich voll, werden groß und weich. Dafna erklärt, dass sich auch die Organe in unserem Körper permanent verändern, sich dehnen, weiten und zusammenziehen, um Dinge in sich aufzunehmen und wieder abzustoßen. Sie bittet uns, die Augen zu schließen und uns vorzustellen, was unsere Organe wohl für Geräusche machen, wie sie blubbern und grummeln, schmatzen und pfeifen. Als wir versuchen, diese Geräusche nachzumachen entsteht eine ohrenbetäubende Soundperformance, die Dafna mit einem Aufnahmegerät aufzeichnet. Da bleibt nur zu hoffen, dass es sich in unserem echten Bauch doch etwas anders anhört als hier im Atelier...

Langsam merken wir, wie sich das lange Sitzen und Konzentrieren auch auf unseren Gemütszustand auswirkt: Ein Kribbeln und Hibbeln breitet sich im Raum aus und wird immer spürbarer, so dass wir uns freuen, es gleich bei einem Spurt durchs Treppenhaus in den Hinterhof rauslassen zu können. Wie gut, dass wir dabei kein schlechtes Gewissen haben müssen – denn wenn wir heute etwas gelernt haben, dann doch, dass der Körper häufig seinen ganz eigenen Kopf hat!

Ephra-unterwegs-Kinder tauchen Schwämme in Wasser
Ephra-unterwegs-Kinder tauchen Schwämme in Wasser
Zurück
Zurück

Eine Million erreichen mit Uli Aigner

Weiter
Weiter

Immer in Bewegung mit Ilya Barrett