Wer bin ich? Und woran habe ich teil? Mit Lerato Shadi
Heute, an einem kalten Junitag, kommt die Performancekünstlerin Lerato Shadi zu uns in die Ephra Etage. Sie trägt ein blau-schwarz gemustertes Oberteil. Ihre Lieblingsfarbe für die Arbeit scheint aber Rot zu sein! Rot sei einfach die beste Farbe für ihre Kunstwerke, verrät sie uns. Denn wir verbinden sie mit dem menschlichen Körper – aber auch mit Liebe oder Gewalt.
Lerato benutzt Rot sehr häufig in ihren Installationen und Videoarbeiten. Und auch ihr eigener Körper spielt eine wichtige Rolle in ihrer performativen Kunst. So zeigt sie uns beispielsweise ein Video, in dem sie sechs Stunden lang Luftballons in einer Werbefirma in Kapstadt aufbläst. Ihr Atem ist beim Ausblasen dabei immer nur in den Ballons gelandet. Sechs Monate lang hat sie sich durch Yoga-Übungen intensiv auf die Performance vorbereitet. Die Ideen für ihre Arbeiten leitet sie oft aus Fragen ab. Wie verbringt eine Künstlerin im Gegensatz zu anderen Menschen ihre Zeit?, hat sich Lerato zum Beispiel für die Ballon-Performance gefragt. Und: Wofür nutzt du deine Zeit?
Lerato ist es wichtig in ihrer Kunst, viele Fragen zu stellen. Und so zeigt auch eine ihrer berühmtesten Installationen eine Frage, die (natürlich) auf einer roten Leinwand prangt: „Are we the people?” (auf Deutsch heißt das: „Sind wir die Menschen?”), Das Wort „Are“ und das „?“ umrahmen in neongelben Lichtröhren den auf die Leinwand gedruckten schwarzen Schriftzug „We the people“ („Wir die Menschen”). Lerato erklärt uns, dass die Verfassung in den USA und in ihrem Heimatland Südafrika genauso beginnt: „We the people...“ Sie stellt sich aber die Frage, ob damit wirklich alle Menschen gemeint sind und mitbestimmen dürfen. Das Wahlrecht zum Beispiel, das den Menschen eine Stimme gibt, galt lange Zeit nur weißen Männern. Frauen und nicht-weiße Menschen waren ausgeschlossen. Auch Rechte für Kinder sind etwas relativ Neues. Dass Kinder geschützt und von der Regierung vertreten werden. Es ist Lerato wichtig, dass alle gehört und verstanden werden und eine Stimme haben. Alle sind ja Teil der Gesellschaft! Dann wird die Welt reicher, wenn auch wirklich alle Stimmen zählen.
In einer anderen Installation stellt Lerato ein Portrait ihrer Ururoma einem Bild von sich selbst (also einem Selbstporträt) gegenüber. Doch es handelt sich nicht um eine Abbildung der Gesichter beider Menschen im klassischen Sinn. Statt ihres Gesichts zeigt Lerato ihre eigene Unterschrift als Künstlerin Lerato neben einem "X", das für ihre Ururgroßmutter steht. Bei dieser Installation habe sie die Frage nach Bildung interessiert, erklärt sie uns. Ihre Ururoma konnte kaum lesen und schreiben. Aber sie war intelligent, hatte eine gute Intuition und viel Empathie. Lerato sagt, sie selbst habe viel aus Büchern gelernt, würde aber gerne mehr Wissen aus ihrem Körper ziehen.
Und so sollen auch wir beim abschließenden Anfertigen eines Selbstportraits unsere Gefühle mit dem Kopf verbinden. Es entstehen Bilder mit ganz andern Dingen als unseren Gesichtern: Bilder, die die ganze Welt zeigen, die Sonne oder ein schönes Kleid. Erst beim Betrachten der Bilder merken wir, wie unterschiedlich wir alle uns fühlen und wahrnehmen und wie verschieden die Dinge sind, mit denen wir uns identifizieren.