Giang Quang Vinhs Wirrwarrwesen
Klatschend empfangen wir Giang Quang Vinh, als er eilig und voll bepackt in der Ephra Etage ankommt. Wir sollen in Vinh nennen, sagt er, und fügt noch schnell hinzu, dass das „Ving“ ausgesprochen wird, wie in dem englischen Wort „moving“, was „in Bewegung“ heißt. Das scheint uns nicht nur gut zu seinem Namen, sondern auch zu seinem Wesen zu passen: Selbst, wenn Vinh einfach im Schneidersitz auf dem Boden sitzt – die Position, die er sich für unser Interview aussucht – scheinen seine Gedanken nie Pause zu machen und manchmal gleichzeitig in verschiedene Richtungen zu rennen. Irgendetwas in ihm ist immer in Bewegung.
Vinh studiert an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin Bildhauerei. Was bedeutet das, Bildhauerei? Einer von uns weiß: Wenn man zum Beispiel mit dem Meißel oder dem Hammer etwas aus Stein oder aus Marmor haut und sich so etwas formt. Das klingt richtig, bestätigt Vinh, doch als er erzählt, wie er arbeitet, scheint der Begriff noch einiges mehr zu umfassen: Er experimentiert zum Beispiel gerne mit 3D-Druckern, malt mit Erde Muster auf öffentliche Plätze, kocht vietnamesische Nudelsuppen und erzählt Geschichten dazu oder macht zusammen mit Kindern Schokolade und hängt mit ihnen Kunstwerke in Straßenbahnen auf. Dass Vinh gerne mit Kindern arbeitet, merken wir an seiner ansteckend fröhlichen Art. Aber wollte er auch schon Künstler werden, als er selbst Kind war? Vinh kichert vergnügt. Eigentlich, sagt er, wollte er immer Luftballonverkäufer werden. Er fand die Verkäufer*innen toll, wie sie auf der Straße standen mit ihren schwebenden Sträußen. Seine Mutter wollte ihm aber nie einen Ballon kaufen. Da dachte er, wenn er sie selbst verkauft, kann er jederzeit so viele Ballons haben, wir er möchte.
Langsam überträgt sich Vinhs innerer Bewegungsdrang auf uns und nach einer kurzen Pause dürfen wir selbst ans Werk. In kleinen Gruppen zeichnen wir kollektive komische Körper. Das geht so: Eine Person zeichnet einen Kopf, knickt das Papier, sodass der Kopf nicht mehr zu sehen ist, und gibt es weiter. Die nächste Person zeichnet den Oberkörper und so weiter. Dabei entstehen skurrile Wesen – zum Beispiel ein Schwein mit Bärentatzen und Fischflossen, ein Krokodil-Schaf-Flamingo und ganz viele andere Figuren, die mit Worten kaum beschrieben werden können. Anschließend zieht Vinh kleine Geräte aus der großen Tüte, die er mitgebracht hat. Er verrät uns, dass die schwarzen Stäbe 3D-Stifte sind, mit deren Hilfe wir unsere Zeichnungen in dreidimensionale Kunstwerke verwandeln können. Nachdem er uns alles genau erklärt hat, dürfen wir die Stifte selbst ausprobieren – und schaffen Mini-Skulpturen in bunten Farben, ganz ohne Hammer und Meißel!
Wir sind ziemlich stolz auf unsere kleinen Figuren und möchten sie am liebsten direkt mit nach Hause nehmen. Und wer weiß: Vielleicht treffen wir ja auf dem Heimweg jemanden, dem wir unser Wirrwarrwesen gerne schenken möchten…