Im Stoffreich von Claudia Hill
Vor Kurzem ist Claudia Besitzerin eines großen, 125 Jahre alten Webstuhls aus Holz geworden. Immer zwei Personen können gleichzeitig daran weben – und heute dürfen wir uns daran versuchen.
Mit einem sogenannten Schiffchen fädeln wir Jeansstreifen aus zerschnittenen Hosen zwischen die gespannten Fäden. Die Füße drücken ein Pedal, während die Hände die neue Reihe in einen Bogen legen. Dann heißt es: gucken, ob die zweite Person auch schon so weit ist, damit wir gemeinsam das Weberblatt, eine Art Kamm, kräftig runterziehen. Dann drücken die Füße das andere Pedal und wir können mit der nächsten Reihe weitermachen. Wir merken schnell: Man muss sich ganz schön konzentrieren und das Weben am Webstuhl ist richtiges Teamwork. Aber auch das schätzt Claudia sehr, denn sie arbeitet gerne – und oft – mit anderen Menschen für Projekte zusammen.
Bei Claudia Hill laufen viele Fäden zusammen: Sie macht Performancekunst, Kostüm- und Bühnenbild, experimentellen Film, visuelle Kunst. Und vor allem arbeitet sie mit Stoff. Das sieht man ihrem Atelier auch an, denn überall gibt es schöne, besondere Textilien zu entdecken.
Claudia hat schon sehr lange eine Vorliebe für Stoff und Textilien. In ihrem Atelier hängt ein gesticktes Bild eines Vogels, das sie mit 8 gemacht hat; da war sie in der 2. Klasse. Seitdem hat sie immer wieder gewebt, gestickt, gestrickt, genäht – und Bilder mit Stoff gemalt. Wir wollen wissen: Warum eigentlich Stoff?
Sie erzählt uns, dass sie immer wieder fasziniert davon ist, wie zart ein einzelner Faden ist, wie schnell er reißt und kaputtgehen kann. Wenn aber viele einzelne Fäden zueinander kommen und verwoben werden, bilden sie eine feste Einheit und sind sehr stark. (Dabei muss sie auch an uns Menschen denken und wie viel wir bewirken können, wenn wir uns zusammentun.) Auch ist das Besondere an Stoff für sie, dass alle Menschen (groß und klein, arm und reich) Textilien haben – weil Stoff überall ist. Am liebsten arbeitet Claudia mit Stoffen, die eine Geschichte haben, die sie geschenkt bekommt und weiterverwenden kann.
Dann berichtet Claudia uns noch von ihrem Poncho-Projekt: 2011 hat sie innerhalb von ein paar Wochen einen Poncho gewebt. Im Anschluss hat sie Künstler*innen eingeladen, den Poncho bei sich aufzunehmen, um etwas damit zu machen. So ist der Poncho von Person zu Person um die ganze Welt gereist: In ihm wurde getanzt und performt, er war bei feierlichen Essen und Fotoshootings dabei, es wurde über ihn geschrieben, mit ihm gemalt … er hat echt viel erlebt. Claudia hat alle Fotos, Emails und Texte gesammelt und daraus ein Buch gemacht. Darin wird erzählt, was in 10 Jahren aus Sicht des Ponchos alles passiert ist.
Jetzt ist das gute Stück wieder in Berlin und zurück in Claudias Atelier – mit all seinen Geschichten. Ob der Poncho sie preisgibt, wenn man ihn trägt?! Ein bisschen fühlt es sich so an.