Helge Leibergs mutige Kleckse
Als wir in Helge Leibergs Atelier ankommen, werden wir von Jazzmusik und tanzenden Körpern auf großen Leinwänden begrüßt. Er erklärt uns später, dass er diese Musik gerne beim Malen hört, weil sie hilft ihm, sich in bestimmte Stimmungen zu versetzen. Klassische Musik mag er auch, aber die Figuren auf den vielen Bilder in seinem Atelier sehen eher nach schnellen, impulsiven und ausgelassenen Bewegungen aus, was zur Jazzmusik wirklich gut passt.
Wir finden, die Figuren, die Helge malt, sehen aus wie große, tanzende, kunstvolle Strichmännchen. Schmunzeln sagt er, das sei richtig und zeigt uns dann auch, wie er das macht: Mit großen Pinseln, von denen einer fast so groß ist wie ein Besen, malt er seine Figuren mit wenigen Zügen. Die sogenannten Kalligrafie-Pinsel können sehr dünne und sehr dicke Striche machen. Kalligrafie bedeutet „die Kunst des schönen Schreibens“ und der Pinsel ist eigentlich dafür gemacht, riesige chinesische Schriftzeichen zu schreiben. In gewisser Weise sind Helges Figuren auch wie Zeichen, die bestimmte Bedeutungen haben. Oft kommen diese Bedeutungen aus alten Büchern, Sagen und Mythen, die Helge inspiriert haben und die er durch die Figuren förmlich in seine Bilder hineinschreibt.
Doch nicht nur Geschichten sind in Helges Bildern zu entdecken. Als er 20 Jahre alt war, hat er eine Gruppe von Tänzer*innen kennengelernt, von denen er sehr beindruckt war, und die seither immer wieder in seinen Bildern auftauchen. Für ihn geht es beim Tanzen sowie beim Malen darum, darzustellen, was ihn bewegt. Expressiv sagt er dazu, wenn das mit besonders viel Ausdruck und Energie geschieht.
Helges tanzende Figuren sind oft von vielen Farbspritzern umgeben, die so aussehen, als hätte er den Pinsel besonders schnell geschwungen und beim Malen vielleicht sogar selbst ein bisschen getanzt. Als wir ihn auf die Kleckse aufmerksam machen, gibt er zu, dass er sie früher immer weggemacht hat, damit seine Bilder perfekter aussehen. Schnell hat er dann aber gemerkt, dass es auch – und vielleicht sogar gerade – diese Kleckse sind, die die Bilder besonders machen. Denn durch sie wird die Bewegung erst sichtbar, die ihn bei den Tänzer*innen so fasziniert hat. Perfektion findet er inzwischen eher langweilig.
Bevor wir das helle Atelierhaus neben den Schrebergärten verlassen, verwandeln wir uns selbst in Kunstwerke, indem wir die Posen der Tänzer*innen, Krieger*innen und anderen Gestalten nachstellen. Das ist nicht ganz einfach, weil Helge sie mitten in der Bewegung eingefroren hat. Dabei merken wir, wie sich die Spannung von der Leinwand auf unsere Körper überträgt. Und so wie die Kleckse in Helges Bildern gehört das Wackeln dann eben auch ein bisschen dazu.