In nicht-menschliche Welten abtauchen mit Anne Duk Hee Jordan

Kinder liegen auf dem Boden in der Rauminstallation von Anne Duk Hee Jordan.

Statt in Anne Duk Hee Jordans Atelier treffen wir uns mit der Künstlerin im Gropius Bau. Das ist ein Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst mitten in Berlin, in dem neben vielen anderen Werken gerade auch eine Installation, also ein gestalteter Raum von Duk Hee (das ist ihr koreanischer Name bei dem sie gerne genannt werden möchte) zu sehen ist.

Duk Hee empfängt uns in der imposanten Eingangshalle des Gropius Bau und führt uns an dicken Marmorsäulen und eisernen Geländern vorbei durch einen Teil der Gruppenausstellung YOYI! (so nennt das Volk der Tiwi in Nordaustralien eine Form des Zusammenkommens, bei dem gemeinsam gesungen und getanzt wird). Endstation ist ein abgedunkelter Raum, in den eine höhlenartige Struktur aus Stoff gebaut ist. Sie hüllt uns direkt ein und lässt uns staunen: An den Wänden leuchten geheimnisvolle Meereswesen, von der Decke hängt eine riesige Muschel und ein mal wummernder, mal singender und mal knallender Sound erfüllt den Raum. Die Klänge können wir nicht nur hören, sondern auch fühlen, als wir uns auf die weichen Polster fallen lassen und für eine Weile einfach nur gucken, lauschen und spüren. Wir haben ganz unterschiedliche Gedanken und Eindrücke, fühlen uns hier aber alle vor allem sehr, sehr wohl. Für die eine ist es ein Gefühl, als würde sie ertrinken, aber auf eine gute Art. Jemand anderes hat den Eindruck, zum ersten Mal unter Wasser zu sein. Und das ist gar nicht so weit von der ursprünglichen Inspiration zu der Arbeit entfernt: Duk Hee erzählt uns, dass sie mit zwölf ihren ersten Tauchschein gemacht hat und dann lange Freitaucherin war (das bedeutet Tauchen ohne Sauerstoffflaschen, nur mit Luft anhalten). In dem Raum wollte sie das Gefühl vermitteln, das sie bei ihrem ersten Tauchgang hatte: Ein Untertauchen, bei dem man kurz nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

Das Kunstwerk von Anne Duk Hee Jordan im Gropius Bau.

Duk Hee verrät uns außerdem, dass die Klänge echten Geräuschen aus der Tiefsee nachempfunden sind: Motorboote, Walgesänge, Tiefseebohrungen und sogar ein Blitzeinschlag (der Knall!). Aus diesen Geräuschen hat Duk Hee gemeinsam mit einem Sounddesigner eine aufwändige Komposition gebastelt, die durch den Raum wandert und wabert, mal mehr von links, mal mehr von oben tönt oder von unten vibriert.

Anne Duk Hee Jordan beim Interview mit einem Ephra unterwegs-Kind.

Duk Hee arbeitet in ihren Werken oft und gerne mit Musik. Früher wollte sie eigentlich Rockstar werden, gibt aber zu, dass sie nicht diszipliniert genug war, um ein Instrument wirklich gut zu lernen. Später war das mit der Meeresbiologie ähnlich. An der Kunst gefällt ihr, dass sie Musikerin und Forscherin sein kann, Künstlerin und Biologin – eben alles zusammen und von jedem ein bisschen. Im Gegensatz zur Biologie und der Wissenschaft im Allgemeinen muss in der Kunst außerdem nicht immer alles rational, also logisch erklärbar sein. Obwohl sich Duk Hee sehr viel und gern mit Biologie beschäftigt und häufig eng mit Wissenschaftler*innen zusammenarbeitet, spielt in ihren Kunstwerken auch Fantasie eine große Rolle. Ihr gefällt besonders, dass man dabei einen anderen Blick auf die Welt entwickeln kann.

Wichtig ist Duk Hee zum Beispiel die nicht-menschliche Perspektive. Aber was bedeutet das?

Menschen können beispielsweise den Gesang von Walen nicht so wahrnehmen wie Unterwasserwesen. Auch die vielfach vergrößerten, verzerrten und teilweise erfundenen Formen der leuchtenden Lebewesen an den Wänden der Stoffhöhle sollen den menschlichen wissenschaftlichen Blick auf andere Lebensformen in Frage stellen. Schließlich ist die Tiefsee – genau wie das Weltall – ein Ort, der vielfach erforscht ist und trotzdem die größten Geheimnisse birgt. Und das Schöne an den Dingen, über die wir noch nicht alles wissen, ist, dass wir uns so einiges dazu ausdenken können.

Das machen wir dann auch und falten aus bunten Origamipapieren verrückte Fantasiefiguren. Das ist sogar für Duk Hee eine Herausforderung, denn Falten erfordert nämlich einiges an Disziplin! Nach anfänglichen Tüfteleien halten wir dann aber alle stolz unsere Einhornwale, Glitzerkrabben und sogar einen gezackten Komponisten in den Händen. Was der in der Tiefsee zu suchen hat, wissen wir auch nicht so genau, aber schließlich sind der Fantasie an diesem besonderen und geheimnisvollen Ort keine Grenzen gesetzt!

Kinder beim Basteln von Fantasiefiguren.
 
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