David Krippendorff und das Gefühl von Heimat

Der Künstler David Krippendorff im Interview mit Ephra-zuhause-Kindern

Heute kommen wir etwas traurig in die Ephra Etage, denn es ist unser vorerst letzter Tag hier. Das heutige Thema passt da wie die Faust aufs traurige Auge: Heimat, der Ort, an dem man sich zu Hause fühlt.

Der Künstler, der uns heute besucht, heißt David Krippendorff und macht Videokunst. Oftmals geht es in seinen Videoarbeiten um das Thema Verlust, Identität und Heimat, so auch in der Videoarbeit “There is no place like home” (das heißt auf Deutsch ungefähr: „Es gibt keinen Ort wie Zuhause“), die er uns als erstes zeigt. Basierend auf einer Szene des Films „Der Zauberer von Oz” sehen wir, wie ein Bauernhaus – das Zuhause von Dorothy – von einem Tornado hochgewirbelt wird und langsam durch die Luft fliegt. Die Szene scheint unendlich lang zu sein und wiederholt sich immer wieder. Nur kurz wird das Innere des Hauses gezeigt. Und dann geht es wieder von vorne los. Einen wirklichen Anfangs- oder einen Endpunkt hat das Video nicht. Wir wollen wissen, warum dieses Video aus nur zwei Szenen besteht. David erklärt uns, dass seine Familie an vielen verschiedenen Orten lebt. Geboren wurde er in Italien. Als er 20 Jahre alt war, ist er mit seinen Eltern nach Deutschland gezogen. Ein anderer Teil seiner Familie lebt in Großbritannien und in Amerika. Als Kind und bis heute fällt es ihm schwer zu sagen, wo genau seine Heimat liegt. Fühlt er sich eher in Italien oder Deutschland zuhause? Oder ist es doch ein ganz anderer Ort? Diese Fragen haben ihn immer beschäftigt, weshalb er den „Zauberer von Oz“ schon als Kind sehr mochte. Im „Zauberer von Oz“ geht es nämlich um ein Waisenmädchen, Dorothy, das auf der Suche nach Geborgenheit und einem Zuhause ist. Das Haus, welches wir auch in Davids Video sehen und in dem Dorothy lebt, wird durch einen Tornado in die Luft gehoben und landet auf Oz. Obwohl die neue Welt bunt, freundlich und vielfältig ist, will sie unbedingt wieder nach Hause zurück. Hierfür muss sie aber zum Zauberer und ihn um Hilfe bitten. Auf dem Weg dorthin und durch die Abenteuer, die Dorothy erlebt, knüpft sie neue Freundschaften in Oz. Trotz des wohligen Gefühls, dass die Freund*innen in ihr auslösen, bittet Dorothy am Ende doch eine gute Fee, sie zurück nach Hause zurück zu bringen. Sie findet: “Es ist nirgends besser als zuhause”. Je länger Davids Videoarbeit läuft, desto mehr merken wir, dass es nicht so angenehm ist, sie lange anzuschauen: Die Wiederholung der immer gleichen Szenen, das Schwarz-Weiß, der lang gezogene, verzerrte Ton – all das fühlt sich irgendwann anstrengend für uns an. Aber David erklärt uns, dass er eben genau spürt, wenn er das Gefühl von Entwurzelung hat und glaubt, an keinen Ort so richtig zu gehören. 

Ephra-zuhause-Kinder bauen ein Haus aus Pappe
David Krippendorff hilft Ephra-zuhause-Kindern ein Haus aus Pappe zu bauen

Wie fühlt sich Heimat, der Ort, an dem man zuhause ist, aber eigentlich an? Um diesem Gefühl näherzukommen, teilen wir uns in vier Gruppen auf. Jede Gruppe bekommt eine eigene, riesige Pappe. Die vier Pappen sollen später zusammengefügt und zu den Wänden eines Hauses werden. Wir suchen uns in den Gruppen jeweils einen Begriff aus: Vergangenheit, Willkommen, Traum und Zukunft. Diese wollen wir mit der Frage verbinden, wie sich Heimat für uns anfühlt. Hierfür sprechen wir erst einmal über die Begriffe. Wir überlegen, welche Dinge uns in der Vergangenheit das Gefühl von Sicherheit gebracht haben oder an wen oder was wir uns gerne erinnern wollen. Wir sprechen über unsere Kuscheltiere, die uns teilweise schon immer begleiten und jeden Abend in unserem Bett liegen und über bestimmte Gerichte, die und direkt an Zuhause erinnern und uns ein wohliges Gefühl geben. Bei einer sind es die selbst gemachten Gnocchi vom Papa, beim anderen die Lasagne von der Mama. Um unsere Gedanken auf die großen Pappwände zu übertragen, dürfen wir alles verwenden, was wir in der Ephra Etage finden können: Stifte, bunte Papiere, Folien, Pappen, Schnüre und, und, und. Es ist gar nicht leicht, einen Anfang zu finden bei all den Möglichkeiten. Wir malen all die Dinge auf, die uns an Zuhause erinnern und kleben sie erstmal auf die Pappwand. Außerdem schneiden Fenster und Türen aus, bekleben die Wände und verzieren alles mit Luftballons, Glitzerfolie und Stoff. Ganz zum Schluss stellen wir alle vier Wände so hin, dass sie ein Quadrat ergeben. Mit Kabelbindern verbinden wir sie miteinander und setzen ein Dach aus Pappe oben drauf. Jetzt können wir endlich unser ganzes Haus erkunden und sehen, wie die Wände der anderen Gruppen gestaltet sind. Die Willkommens-Gruppe hat eine richtige Tür gemacht, die geöffnet und geschlossen werden kann. Neben der Tür sitzt ein Hund und ein großes Schild sagt “Alle sind willkommen”. Auf verschiedenen Sprachen hat die Gruppe dann noch „Hallo“ und andere Begrüßungen geschrieben. An der Zukunfts-Wand kleben kleine Streichholz Briefkästchen, in die man seine Wünsche für die Zukunft stecken kann. Durch ein Rohr in der Wand können wir von innen nach außen kommunizieren und umgekehrt. Die Traum-Gruppe träumt auf ihrer Wand von einem Zuhause mit vielen Freund*innen, „in das alle die Chance haben reinzukommen, aber man kann auch wieder rausgehen, wenn man will”, erklärt eine von uns. Auch die Tiere wurden mitbedacht: Ein Hund mit einer Sprechblase sagt „Freiheit ist wichtig” und neben einem anderen Hund steht „Alle Tiere haben Rechte”. Auch das Dach haben wir noch mit einer Sonne und Vögeln verziert. Wir finden, dass unser Haus so gemütlich sein soll wie ein richtiges Zuhause und hängen deshalb zum Schluss noch eine Lichterkette im Innenraum auf. Mit etwas Quetschen und engem Aneinanderrücken passen wir jetzt alle in unser Ephra-Haus.

David hat uns heute gezeigt, dass Heimat ganz unterschiedliche Dinge und Gefühle bedeuten kann. Manche Vorstellungen ähneln sich, andere sind ganz verschieden. Wir alle wissen aber, dass dieses wohlige Gefühl von Geborgenheit etwas ganz Besonderes ist, dass man durch nichts anderes ersetzen kann.

Das Haus aus Pappe in der Ephra Etage
Ephra-zuhause-Kinder bemalen Papiere für das Haus aus Pappe
Ein Kind klebt ein bemaltes Papier auf das Haus aus Pappe
Der Innenraum des Hauses aus Pappe
Das Haus aus Pappe in der Ephra Etage
Das Haus aus Pappe in der Ephra Etage
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In die Luft zeichnen mit Stella Geppert