Ana Prvački, die Bienenkönigin
Ana Prvački empfängt uns strahlend in ihrem kleinen (aber feinen) Atelier. Sie spricht nur Englisch, aber das können manche von uns auch schon sehr gut und es macht Spaß, die Sprache außerhalb des Klassenzimmers, in der richtigen Welt auszuprobieren. Ana nennt ihr Englisch „mariniertes Englisch“, wie wenn man zum Beispiel Gemüse in ganz viele verschiedene Kräuter und Öl einlegt, und das Essen den Geschmack von allem aufnimmt. Anas Mutter ist nämlich rumänisch und ihr Vater serbisch, sie selbst ist in Singapur aufgewachsen, hat in den USA gelebt und in Spanien. Außerdem spricht sie Französisch. Da kommt so einiges zusammen! Dass sie bei all den vielen Stationen noch nicht so gut Deutsch spricht ist nicht so schlimm, ihre Tochter ist etwa so alt wie wir und hilft ihr gerne bei der Übersetzung.
Dass Ana Künstlerin werden wollte, war ihr eigentlich schon immer klar. Ihre Mutter ist Keramikerin und als Kind durfte Ana den trockenen Ton in der Badewanne mit viel warmen Wasser wieder lebendig kneten. Das fand sie super. Außerdem hat sie irgendwann angefangen, Miniversionen von all den Keramikobjekten zu machen, die ihre Mutter gefertigt hat. Das sah bestimmt ziemlich lustig aus und wir erfahren, dass Humor noch heute ein fester Bestandteil von Anas Kunst ist. Auch ihr Vater war Künstler und beide ihre Eltern haben sie immer dazu ermutigt, viel zu spielen, andere herauszufordern und auch manchmal etwas frech zu sein. Und das bedeutet Kunst für Ana bis heute: Spielen findet sie vor allem für Erwachsene wichtig und sie ist fest davon überzeugt, dass das immer ein guter Anfang ist, um große Probleme zu lösen.
Neben der Kunst sind Ana vor allem ihre Familie, ihre Tochter und ihre Katze wichtig. Ihre Katze gibt ihr häufig Rat – zum Beispiel weiß Ana, dass sie zu abgelenkt ist, wenn ihre Katze nicht in ihrer Nähe sein will. Und wenn sie sich an sie schmust, fühlt sich Ana meistens ganz ruhig.
Tiere und unsere Beziehungen zu ihnen spielen in Anas Kunst eine große Rolle, zum Beispiel unser Verhältnis zu Bienen. Auch das liegt schon seit langem in der Familie – als Anas Ururururgroßmutter ihren Ururururgroßvater geheiratet hat, hat sie ein Bienenvolk mit in die Ehe gebracht. Seitdem wird es von Generation zu Generation weitergegeben. Als Anas Großvater gestorben ist, hat er ihr 500 Kilo Honig vererbt, sowie eine alte Honigwabe, die wir sogar anfassen dürfen! Ana selbst ist nicht Imkerin geworden, aber setzt sich in ihrer Kunst viel mit Bienen auseinander. Außerdem verrät sie uns, dass sie sich inzwischen selbst ein bisschen wie eine Biene fühlt – die Insekten lieben es, so viele unterschiedliche Pflanzen wie möglich zu bestäuben und auch Ana ist am glücklichsten, wenn sie an vielen verschiedenen Projekten arbeitet und immer neue Dinge kennenlernt. (Später entdecken wir, dass sogar die Kacheln in Anas Bad aussehen wie das Innere eine Honigwabe!)
Mit ihrer Kunst, ihren Zeichnungen, Videos, Virtual Reality-Projekten und Performances möchte Ana die Menschen auf die Wichtigkeit von Bienen und deren drohendes Aussterben aufmerksam machen. Schließlich sind sie unter anderem dafür verantwortlich, dass Früchte und Gemüse wachsen, die für uns lebenswichtig sind. In manchen Teilen der Welt gibt es aber nur noch so wenige Bienen (zum Beispiel, weil sie nur eine einzige Pflanzenart bestäuben dürfen, was sie krank macht), dass Menschen deren Job bei der Bestäubung übernehmen: Mit kleinen Pinseln oder Wattestäbchen berühren sie eine Blüte nach der anderen und geben die Pollen weiter. Diese Vorstellung finden wir absurd, gleichzeitig lustig und bedrückend. In Reaktion darauf hat Ana einen eigenen Bestäubungs-Handschuh entwickelt, an dessen Fingerspitzen kleine Objekte befestigt sind. Viele der Objekte sind eher symbolisch – ein Mini-Stier steht zum Beispiel für die große Macht, die Bienen trotz ihrer winzigen Größe haben, und kleine Glöckchen sollen die Pflanze darauf vorbereiten, dass sie gleich bestäubt wird (Hummeln machen das durch ihr vibrierendes Summen). Aber es gibt beispielsweise auch Federn, bei denen wir uns sehr gut vorstellen können, dass sie der Aufgabe tatsächlich gerecht werden würden.
Im Anschluss lädt Ana uns dazu ein, unsere eigenen Bestäubungs-Handschuhe zu entwickeln. Aus einer großen Auswahl von Materialien basteln wir bunte Exemplare, die nicht nur bei der Bestäubung helfen können, sondern auch ziemlich verrückt aussehen. Mit unseren Kunstwerken im Gepäck spazieren wir gemeinsam in einen Park um die Ecke und gehen auf Tuchfühlung mit den wenigen Blüten, die wir hier im Herbst noch entdecken können. Auch die Bienen scheinen sich schon größtenteils in die Winterruhe verabschiedet zu haben, in der sie sich in ihrem Bienenstock gegenseitig warmhalten. Umso besser, dass wir jetzt hier sind, und zwar in voller Montur!