Zu Besuch beim Klangforscher Albrecht Fersch
Das Atelier von Albrecht Fersch befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße im Wedding. Eigentlich ist es nicht nur sein Atelier, sondern er teilt es sich mit der Malerin Lilla von Puttkamer. Damit die beiden ein bisschen Ruhe voneinander haben können, hatten sie für kurze Zeit einen Vorhang in der Mitte des Raumes hängen. Die Idee ging aber nicht auf – und das wundert uns gar nicht –, denn Albrecht arbeitet oft mit Klängen und macht manchmal ganz schön Krach. Er baut nämlich unter anderem ungewöhnliche Instrumente, die es so zuvor noch nicht gegeben hat (die heißen dann zum Beispiel Vibrianoid oder Typophon).
In seiner Atelierhälfte entdecken wir viel Holz, Werkzeuge, besagte Musikinstrumente und auch zahlreiche Küchenutensilien. Wir fragen ihn, was es damit auf sich hat. Albrecht antwortet uns, dass er Objekte sammelt, die spannende Klänge machen – und das sind anscheinend erstaunlich viele aus der Küche: Schneebesen, Gabeln, Reiben usw. (Interessant findet er immer die Überraschung und den Kontrast zwischen der Art und Weise, wie etwas aussieht und wie es letztendlich klingt.)
In seinem Typophon sind auch einige Küchengerätschaften untergebracht – bei dem Instrument handelt es sich um eine alte Schreibmaschine in einem begehbaren Holzgestell, an der mit Fäden Gegenstände befestigt sind. Wenn man auf der Schreibmaschine eine Taste drückt, schreibt man keinen Buchstaben, sondern gewissermaßen einen Klang. Um sich zu merken, welcher Buchstabe welchen Klang auslöst, baut Albrecht sich gedankliche Eselsbrücken: R (wie Reibe) lässt ein Holzklötzchen über die Reibe fahren, beim G erklingt natürlich ein Gong… und manchmal kann er sich selbst nicht mehr an die Eselsbrücke erinnern. (Nach einem großen Fragezeichen im Kopf klingt auch die ?-Taste, während das ! ein Geräusch macht, als wäre einem gerade etwas Wichtiges eingefallen.)
Albrecht gibt uns ein exklusives Namenskonzert und spielt einmal alle unsere Namen auf dem Typophon. Solche Performances gibt er häufiger bei Ausstellungen und Festivals zu denen er eingeladen ist; manchmal dürfen die Besucher*innen aber auch alleine auf den Instrumenten spielen und sich ausprobieren. Und Ausprobieren findet er richtig wichtig! Letztendlich ist Albrecht selbst irgendwie – und das schon seit seiner Kindheit – ein Klangforscher, der auch mal ein Klavier zerlegt, um herauszufinden, wie es funktioniert und was passiert, wenn man etwas verändert, hinzufügt, wegnimmt.
Zum Abschluss zeigt uns Albrecht, wie wir aus einfachen Bestandteilen ein Instrument bauen können. Aus einem Stück Abflussrohr, einem zerschnittenen Luftballon, Draht, Muttern und ein paar Zentimetern Schlauch wird ruckzuck unser eigenes neues Blasinstrument, das im Prinzip wie ein vereinfachtes Saxophon funktioniert. Wir denken uns tolle Namen dafür aus und pusten ins Instrument, bis uns die Luft ausgeht. Als wir alle der Reihe nach und dann zusammen musizieren, ist die Straße vor dem Atelier überhaupt nicht mehr ruhig. Und an dem warmen Lächeln auf Albrechts Gesicht sieht man, dass ihm das ganz gut gefällt.